Nach der Idylle im Meiji Jingū gab es nun das absolute Kontrastprogramm: Die überfüllten, wuseligen Straßen im Stadtteil Shibuya! Um den Bahnhof herum drängen sich nicht nur die Menschen, sondern auch die Leuchtreklamen und Geschäfte. Es ist laut, akustisch wie visuell. Überall blinkt und dudelt es.
Die berühmteste Kreuzung und der berühmteste Hund der Welt
Wie vermutliche jede Touristin wollte ich natürlich unbedingt die berühmte Scramble Crossing sehen: der meistfrequentierte Fußgängerüberweg der Welt. Zu Stoßzeiten überqueren hier 2500 (!!!!) Menschen gleichzeitig (!!!!) die Straßen, quer als auch diagonal. Alles-gehen-Kreuzungen gibt es in Deutschland eigentlich nicht, und ganz sicher nicht in dieser Größe, und wenn man dann da steht und dem Gewusel zusieht, wirkt es erst einmal beängstigend. Wird man es wieder rechtzeitig heraus schaffen? Oder trägt einen der Menschenstrom irgendwo hin?
Die Hachikō-Statue
Bevor ich mich in das Abenteuer stürzte, stattete ich aber erst einmal Hachikō einen Besuch ab, oder vielmehr der Statue, die diesem treuen Hund gewidmet ist.
Die Statue ist überraschend klein, aber dank der Menschentraube, die sich dort mit und vor dem Denkmal ablichten lässt, nicht zu verfehlen. Man muss nur im Bahnhof Shibuya dem Ausgang Hachikō folgen (ja, wer hätte das gedacht…). Mit etwas Glück gibt es dann auch mal eine Lücke, so dass man selber ein Bild schießen kann. Die Gullydeckel rund um die Statue sind (natürlich) auch alle passend dekoriert.
Auch unabhängig von der Berühmtheit des Hundes ist es eine schöne Statue, recht schlicht, und der Schnuffi sieht auch schon etwas mitgenommen und alt aus. Aber das war er ja zu dem Zeitpunkt, als er berühmt wurde, auch schon.
Die Scramble-Crossing
Nun ging es aber tatsächlich zur Kreuzung, die unmittelbar neben der Statue liegt. Um die Tageszeit war für lokale Verhältnisse noch relativ wenig los, und die Kreuzung wirkte recht harmlos. Dachte ich. Bis dann alle Fußgängerampeln auf Grün schalteten und wirklich alle Menschen losgingen. Niemand rannte, als hätte man alle Zeit der Welt. Ein komisches Gefühl, wo doch um einen herum alles bebt und pulsiert. Aber das sollte ich noch öfter in Japan erleben:
Ich schaute dem Treiben für ein paar Grünphasen zu, während ich mich langsam an den Zebrastreifen herantastete. Beim nächsten Mal dann wirklich… ach nein, doch lieber nicht… Zu spät! Und dann war ich mitten drin.
Was soll ich sagen: Spektakulär, aber irgendwie trotzdem entspannt. Ganz wie ich es schon von außen beobachtet hatte. Ich überquerte die Kreuzung in vielen Varianten, jetzt wo ich auf den Geschmack gekommen war, und nutzte die Gelegenheit, auch die Geschäfte in der unmittelbaren Nachbarschaft abzuchecken. Das war alles schon spannend, aber irgendwie war für mich nichts dabei – Schmuck und Kosmetik brauchte ich nicht, und in jedem Fall stand ja danach auch noch Ginza auf dem Programm. Da könnte ich noch mehr einkaufen.
Shibuya – verwirrend lustig
Irgendwann hatte ich dann genug und wollte noch einen Blick von oben genießen. Dort gibt es im wesentlichen zwei Möglichkeiten:
- Eine Plattform von der Scramble Square Aussichtsplattform im Shibuya Sky Gebäude. Das war wirklich hoch, aber eigentlich eher nachts richtig spannend, und außerdem hätte ich fast eine Stunde warten müssen. Das gab mein enger Zeitplan an diesem Tag aber nicht her. Außerdem fand ich 2000 ¥ recht teuer.
- Eine niedrigere Plattform im Magnet by Shibuya 109. Dort würde es für den Eintrittspreis auch Cocktails geben.
Klarer Fall also – ab ins Magnet. Das ist auch ein Einkaufszentrum, gefühlt vor allem für den Merch- und Nerd-Bedarf. Viel „J-Pop“ und „J-Rock“-Mode, diverse T-Shirt-Läden. Im Erdgeschoß ein Laden der „Artificial Insemination Kits“ anbot. WTF?
Gashapon-Madness
Und ein Stockwerk mit Gashapons! Davon hatte ich vorher schon gehört, aber bis zu diesem Moment war es mir wieder völlig entfallen. Das konnte ich mir aber nicht entgehen lassen – ich marschierte also rein.
Dort war ich nicht die einzige Langnase, das überraschte mich jetzt auch nicht so. Was mich überraschte war der große Anteil ganz normaler Kunden. Damen mittleren Alters, mit, aber vor allem auch ohne Kinder, Herren im Business-Outfit – you name it. Und sie wirkten beileibe nicht alle so, als ob sie nur ein kleines Geschenk für ihre Kinder jagen würden.
Jeder der Automaten spuckt ein gewisses, thematisch passendes Sortiment an Plastikbällen aus, in denen sich dann hoffentlich das Objekt der Begierde befindet. Oft, aber nicht immer kleine Plastikfiguren, ähnlich wie bei den deutschen Ü-Eiern.
Ich wollte schon wieder gehen, da entdeckte ich ein paar Automaten, an denen man Mumins ziehen konnte. Yes! Ich wechselte schnell einen Schein, warf 400¥ ein, drehte an der Kurbel, und dann plumpste ein blauer Platikball heraus. Nice! Schnell noch zweimal wiederholt, das würden zwei Geschenke für Amber und Caroline werden. Mit dem Öffnen wollte ich noch warten.
Schöne Aussichten!
Zufrieden machte ich mich auf den Weg in den achten Stock. Der Eintritt war günstig, ich bestellte einen Gin Tonic, der ganz okay und überraschend stark war und dann genoß ich die Nachmittagssonne auf der Plattform. Nette Lounge-Musik, und die Füße schmerzten inzwischen auch etwas. Da kamen die Strandsessel gerade recht. Nach ein bisschen Chillout machte ich dann aber doch noch ein paar Fotos und Videos von der Kreuzung. Von oben ist es eigentlich noch viel beeindruckender, weil man dort eben das Gesamtbild sieht:
Das war es dann aber auch. Ich wollte ja noch nach Ginza, und deshalb taperte ich dann wieder zum Bahnhof, ein bisschen angeschickert, aber es ging alles glatt.