Tag 6: Sendai

Am sechsten Tag ging es endlich auf Rundreise. Für den Start des kleinen Roadtrips hatte ich mir Sendai im Norden in der Provinz Miyagi rausgepickt. Der Plan war, ein bisschen die Sehenswürdigkeiten zu erforschen, dann in Matsushima in einem Ryokan zu übernachten, und dann am nächsten Tag zur Katzeninsel Tashirojima weiterzufahren. Ursprünglich hatte ich noch das Fuchsdorf Zao eingeplant bzw. das sollte eigentlich das Hauptziel sein. Aber nachdem ich einige Berichte über die überhaupt nicht artgerechte Haltung der armen Tiere dort gelesen hatte, war das für mich gestorben. Es wäre sowieso extrem kompliziert geworden dort hinzukommen.

Anreise mit dem Shinkansen

Apropos „hinkommen“… Nach Sendai musst ich ja nun auch reisen. Und das natürlich stilvoll mit dem Shinkansen. Das ist tatsächlich auch die schnellste und bequemste Möglichkeit. Fliegen hätte sich nun kaum gelohnt und wäre auch viel zu kompliziert gewesen.

Also klare Sache. Den JR Pass hatte ich ja schon am Tag davor geholt, ebenso wie die obligatorische Platzreservierung. Mit dem Bahnhof Tokio hatte ich mich auch schon vertraut gemacht. So ging es dann am Dienstag morgen in aller Herrgottsfrühe (Amber schlief noch) dann los. Wäre ich schlau bzw. dreist gewesen, dann wäre ich einfach in Ueno eingestiegen, obwohl meine Reservierung ja erst ab Tokio galt. So musste ich dann noch mit der Metro anfahren.

Tohoku-Shinkansen
Tohoku-Shinkansen

Ich fand dann recht schnell (für meine Verhältnisse) den Eingang zum Shinkansen-Bereich. Ja, da kommt man nur mit der entsprechenden Fahrkarte rein! Alles war natürlich super aufgeräumt, großzügige Wartebereiche, die Chance eine leckere Bentō-Box zu kaufen (hatte ich aber schon am Abend vorher im Konbini gemacht. Ich war zeitig genug da um gemütlich mein Gleich finden zu können, und reihte mich dann meinem Einstiegspunkt ein. Auch hier wieder: Maximale Effizienz und perfekte Organisation. Das braucht es auch, wenn so ein Zug selbst am Knotenpunkt Tokio nur fünf Minuten Aufenthalt hat.

Dann fuhr das Prachtstück ein: ein grüner Hayabusa aus der E5-Serie, elegant, stromlinienförmig, eher ein Flugzeug als ein Zug. Wir warteten alle diszipliniert, bis der Zug fertig vorbereitet war. Unter anderem konnte man sehen, wie in den Waggons die Sitze alle in Fahrtrichtung gestellt wurden. Ach Deutsche Bahn! Warum kann das der ICE nicht auch?

Der Wartebereich für den Shinkansen

An Bord

Die Sitze waren super komfortabel und riesig. Leider hatte ich so kurzfristig keinen Fensterplatz mehr buchen können. Aber es war sowieso diesig draußen. Natürlich ging es dann auch pünktlich los, und ich lehnte mich entspannt zurück und ließ die Landschaft an mir vorbeigleiten. Auch das Fahrgefühl war sensationell. Kein Ruckeln, Schütteln, oder Lärmen. Besser als im Flugzeug!

Ich packte dann, wie alle anderen Reisenden, irgendwann meine Bentō-Box aus. Der Shinkansen ist nämlich einer der wenigen Orte, in dem es gesellschaftlich völlig akzeptiert ist, in der Öffentlichkeit zu essen. Einen Kaffee hatte ich mir am Bahnhof noch aus einem der vielen Getränkeautomaten gezogen. Die Fahrt war für meinen Geschmack viel zu schnell vorbei: Nicht einmal zwei Stunden brauchte der Zug für die 350 Kilometer. Selbst mit dem Flieger hätte es länger gedauert.

Der Bahnhof Sendai

Ich wollte in Sendai die wichtigsten Sehenswürdigkeiten mit dem Loople-Bus ansteuern, ein Touristenbus, der auf einer Schleife unter anderem den Zuihoden und die Burg Sendai ansteuert. Die große Buddha-Statue liegt leider außerhalb und es wäre recht kompliziert gewesen, diese auch noch in die Tour einzubauen. Also verzichtete ich darauf und nahm sie mir für eine eventuelle nächste Reise in die Stadt vor. Der Ein-Tages-Pass für den Bus kostet 630 ¥. Es lohnt sich also kaum, stattdessen Einzelfahrten mit den lokalen Bussen zu kaufen. Der JR-Pass gilt allerdings nicht.

Lost in… Sendai Station

Die "Loople"-Haltestelle

Also auf, die Bushaltestelle finden. Leichter gesagt als getan! Der ganze Busbahnhof ist ein Geflecht aus vielen Treppen und Plattformen, und die Zielangaben sind maximal verwirrend. Eine Beschilderung zum Loople konnte ich beim besten Willen nicht finden, und Maps kam damit auch nicht klar. Also fragte ich mich dann doch durch. Für alle Leidensgenossen: Bussteig 16!

Voll war es auch. Generell sind die Busse in Japan irgendwie winzig, zu wenig und die Fahrzeiten sind auch reichlich optimistisch eingeschätzt. Das letztere war mir allerdings nicht so wichtig. Ich schaffte es zum Glück gleich auf den Bus und dann dann ging es zum ersten Ziel, dem

Zuihōden

Dieses enorme, von im 17. Jahrhundert gebaute als Grabstätte des Date-Clans gebaute Mausoleum wollte ich mir auf keinen Fall entgehen lassen, und ja, es ist definitiv die Reise wert:

Burg Sendai und Ōsaki Hachimangū

Burg Sendai

Reiterstatue von Date Masamune

Als nächstes steuerte ich die Burg Sendai an. Die Anlage wurde zu Beginn des 17. Jahrhunderts, gleich nach der Schlacht bei Sekigahara, erbaut. Nicht einmal 50 Jahre später zerstörte ein Erdbeben Teile der Burg, und im 19. Jahrhundert sowie dann im zweiten Weltkrieg wurden auch die restlichen Gebäude zerstört. Lediglich ein Wachtturm wurde 1967 rekonstruiert.

Das wusste ich allerdings nicht und hatte insgeheim etwas mehr als eine schöne Aussicht (oder auch nicht so schön, denn Sendai ist wie die meisten japanischen Großstädte als ganzes nicht besonders schön) und ein Date Masamune gewidmetes Denkmal erwartet. Das Museum interessierte mich nicht so sehr, es war kalt und windig, und so war ich nach ein paar Bildern und dem Versuch, den Überresten der Grundmauern des Hommaru etwas abzugewinnen schnell auf dem Weg zum letzten Ziel der Rundtour, dem

Ōsaki Hachimangū Schrein

Das Wetter war leider miserabel

Dieser Schrein entstand ebenfalls im 17. Jahrhundert und ist stilistisch eng mit dem Zuhōden verwandt. Ein langer, von Laternen gesäumter Weg, der dann in eine steile Treppe mündet, führt einen zu dem Schrein, dessen Hauptgebäude, das schöne Haiden, ganz mit Zypressenschindeln bedeckt ist, was dem Dach einen besonderen Glanz und Schein verleiht. Auch hier beeindruckten mich wieder die vergoldeten Ornamente in der Dachkonstruktion. Wenn die Laternen alle erleuchtet sind und es nicht regnet ist auch der Weg sicher noch etwas schöner.

Es regnete aber jetzt wieder, und ich hatte richtig Hunger. Also kürzte ich den Besuch ab. Die Erfahrung hatte gezeigt dass es nicht garantiert war im nächsten Loople noch einen Platz zu bekommen. Ich hatte aber Glück. Im Gegensatz zu einer armen Person, die sich wohl auf den nassen Pflastersteinen den Fuß verstaucht hatte und mit dem Rettungswagen abtransportiert wurde.

Ab zur Unterkunft

Gyutan - gegrillte Rinderzunge

Wieder im Bahnhof Sendai angekommen suchte ich erst einmal was zu essen. Die Gegend ist für ihr gutes Sushi berühmt, ich hatte aber zu viel Hunger und entschied mich für die andere Spezialität, nämlich Gyūtan (gegrillte Rinderzunge). Zunge war als Kind immer eine Hassliebe – richtig zubereitet konnte es sehr lecker sein, aber meistens war es zäh und/oder langweilig. Die japanische Variante war aber richtig gut! Sehr zart, auf den Punkt gegrillt, und auch reichlich. Und das, obwohl es nur ein einfaches Bahnhofsrestaurant war. Satt und zufrieden checkte ich meine Zugverbindungen nach Matsushima, denn jetzt wollte ich einfach nur noch ausspannen.

Mit der JR Senseki-Linie waren es gut 40 Minuten bis nach Matsushima. Verglichen mit dem Shinkansen war das eine echte Entschleunigung. Das machte mir aber nichts aus – ich nutzte die Gelegenheit, meine Freunde mal auf den neuesten Stand zu bringen.

Das Ryokan

In Matsushima angekommen waren es noch etwa 15 Minuten Fußweg, zum Teil entlang einer Straße, zum Teil an einem Sportzentrum vorbei. Ich war Google Maps extrem dankbar, alleine hätte ich das vermutlich nicht gefunden. Das Wetter war jetzt richtig erbärmlich, kalt, windig, es schüttete aus Eimern und natürlich hatte ich meinen Regenschirm in Ueno vergessen.

Mein Zimmer im Ryokan

Im Matsuhima Koumura Ryokan angekommen begrüßte mich das ältere Betreiberpaar ausgesprochen herzlich. Das Ryokan ist ein bisschen speziell – es wurde nach dem großen Tohoku-Erdbeben 2011 für die Helfer bei den Aufräumarbeiten um/neu gebaut.

Ich bekam sofort ein Handtuch und die Mutter des Hauses wuselte besorgt um mich herum. Ich wurde einem kleinen „Quiz“ unterzogen (ich musste die Anzahl der Inseln in der Bucht schätzen) und bekam als „Preis“ eine kleine Flasche Sake (auch wenn ich mal annehme dass ich die auf jeden Fall bekommen hätte). Ein junges Mädchen zeigte mir das Zimmer und dann konnte ich erst einmal ein paar Minuten ausspannen. Die diversen Schuhe verwirrten mich kurz etwas, aber dann erinnerte ich mich daran – der Absatz im Zimmer bedeutet Straßenschuhe aus. Und auf den Matten natürlich gar keine Schuhe. Im Klo gab es natürlich noch ein Extra-Paar Toilettenslipper.

Ich packte kurz die wichtigsten Dinge aus, steckte die Kamera ans Ladegerät und machte mich dann noch einmal auf die Reise zum nahegelegenen Konbini (ein 7-Eleven), um mich mit ein bisschen Abendessen zu versorgen. Dummerweise hatte ich nämlich vergessen in der Unterkunft etwas zu buchen, und die Betrieber waren demnach auch nicht darauf eingestellt – und ich fand es unhöflich dann doch etwas zu verlangen. Restaurants gab es in der Gegend nicht so. Leider wollte ich am nächsten Morgen auch früh los und deshalb entging mir auch das Frühstück.

Einmal gekochte Jasmine, bitte…

Zurück im Ryokan unterhielt ich mich noch mit der Gastgeberin, begrüßte den niedlichen kleinen Hund, und fragte dann nach dem ONSEN. Denn ich war richtig verfroren und brauchte ein bisschen heißes Wasser. Meine Tattoos waren kein Problem, und so duschte ich kurz auf dem Zimmer, schlüpfte dann in die Yukata und tigerte ins Onsen. Dort traf ich zwei nette junge Studenten aus Tokio, die gerade auf „Heimaturlaub“ waren. Japaner sind ja manchmal etwas reserviert gegenüber Fremden, aber hier kamen wir schnell ins Gespräch. Das Wasser war sogar ihnen fast zu heiß – enorm dass das wirklich nur von der vulkanischen Wärme so weit erhitzt wird.

Nach einer gemütlichen halben Stunde war ich gargekocht. Ich schaute noch einmal unten vorbei, fragte die Gastgeber noch nahc ein paar Tips für die morgige Tour und wünschte dann allen eine gute Nacht. Im Zimmer trank ich dann gemütlich den Sake und verspeiste mein Abendessen, rolte mich dann auf der unendlich gemütlichen und warmen Matratze zusammen und war nach fünf Minuten schon im Reich der Träume.

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