Am nächsten Morgen ging es früh weiter, denn ich hatte eine lange Reise vor mir: Mit dem Shinkansen über Osaka nach Hiroshima. Dort wollte ich natürlich den Hiroshima Friedenspark und das dazugehörige Museum besichtigen, aber hoffentlich auch das Nachtleben erforschen können.
Im Shinkansen gen Süden
Inzwischen war ich ja fast schon Profi im Reisen mit dem Schnellzug. Für diese Reise war ich auch so schlau, die Reservierung schon ab Ueno vorzunehmen, so dass ich nur einen kurzen Weg mit leichtem Gepäck hatte. Es war etwas fummelig, die richtige Verbindung rauszusuchen: Ich musste in Osaka umsteigen, aber Google Maps beharrte darauf, mir nur Verbindungen mit dem Nozomi, der schnellsten Zugvariante auf dem Tōkaidō-Shinkansen auszuspucken. Diese ist allerdings tatsächlich vom JR-Pass nicht abgedeckt. Daher musste ich die Verbindung mühsam händisch zusammenstückeln.
Abgesehen davon war die Fahrt unspektakulär. Ich hatte einen Fensterplatz auf der rechten Seite gebucht und es gelang mir, einige schöne Blicke auf den Fuji zu erhaschen. Allerdings war es nicht so einfach aus einem Zug, der mit um die 300 km/h durch die Landschaft fegt, ansprechende Bilder zu schießen. Gibt es also keine… Ich hatte als Reiseproviant unter anderem den kleinen „Katzenbaumkuchen“ aus Sendai mitgenommen – schade dass man so was nicht gut als Souvenir nach Hause mitnehmen kann. Das Küchlein war ganz niedlich, aber schmeckte eher langweilig. Der Kaffee und die Bento-Box waren deutlich befriedigender!
Zwischenhalt in Osaka
In Osaka hatte ich ungefähr eine Stunde Aufenthalt, genug Zeit für einen schnellen Snack im Starbucks. Dann ging es auch schon weiter. Im Bahnhof fiel mir eine große Werbetafel für eine deutsche Stadt auf, ich konnte aber nicht herausfinden, welche. Liebe Follower, vielleicht erkennt ihr es ja. Ansonsten das übliche Spiel, einreihen am Bahnsteig, zügig einsteigen, entspannen.
Hiroshima, mon amour
Das Wetter in Hiroshima war prächtig und fast schon zu warm für mein Outfit. Ähnlich wie in Sendai gibt es auch in Hiroshima einen Sightseeing-Bus, den Meipuru-pu. Dort gilt sogar der JR-Pass, und da mein kleines Ryokan vom Friedenspark nur 200 m entfernt war, war das auch die günstigste Möglichkeit, dorthin zu kommen.
Das Ikawa Ryokan war nett, auch wenn das Zimmer sehr klein war. Allerdings roch es dort recht penetrant nach Kohl oder so etwas. Für mich als sehr sensorisch sensible Person war das recht unangenehm – aber die herzliche Bewirtung, der sehr günstige Preis und die geschickte Lage kompensierten das ganz gut. Ich checkte schnell ein und dann ging es über die Brücke zum
Friedenspark Hiroshima
Da gibt es eigentlich gar nicht so viel dazu zu sagen. Ich kann nur jedem empfehlen, sich selber ein Bild zu machen und die Eindrücke auf sich wirken zu lassen. Die bekannten Punkte wie das Friedensdenkmal, das Kenotaph oder das Kinder-Friedensdenkmal sollte man auf jeden Fall gesehen haben und sich dafür auch genug Zeit nehmen. Der Park ist definitiv kein Ort in dem man wie ein gestörtes Karnickel rumrennen sollte.
Das Museum ist aus meiner Sicht das Highlight: Auch wenn man die Fakten sicher schon kennt, wirken sie durch die Art der Präsentation, die stark über Einzelschicksale passiert, noch viel unmittelbarer. Zu unmittelbar vielleicht, denn ich war danach emotional doch stark erschüttert. Deshalb würde ich es auch nicht unbedingt mit Kindern oder als unbegleitete Jugendliche besuchen (das Museum selber empfiehlt auch eine erwachsene Begleitperson). Gerade in unserer aktuellen Weltlage, in der offenbar Krieg ja wieder als legitimes Mittel der Politik gesehen wird, ist der Eindruck eher bedrückend.
Die Auseinandersetzung mit der „Schuldfrage“ wird hier natürlich aus japanische Perspektive vorgenommen – darüber kann und sollte man auch diskutieren. Aber für Relativierungen oder Aufrechnungen ist dieses Museum bestimmt nicht der richtige Ort.
Ich würde empfehlen eher früh am Tag zu kommen. Ich war recht spät dran (ca. 15 Uhr), und es war extrem voll. Tendenziell sind Museen in Japan am Morgen eher leerer.
Nightlife
Es kam langsam Abendstimmung auf. Vom Hiroshima-Friedenspark flitzte ich zurück in die Herberge, zog mich kurz um, und dann ging es auch schon ins Nachtleben. Zuerst aber stand Abendessen auf dem Programm, und zwar
Okonomi-yaki im Okonomi-Mura
Okonomi-yaki, das ist die regionale Spezialität der Region. Ich würde es als Döner-Nudel-Pfannkuchen-Pizza beschreiben. Okonomi-Restaurants gibt es in Hiroshima an jeder Straßenecke. Das „immersivste“ Erlebnis hat man aber im Okonomi-Mura. Dieses „Okonomi-Dorf“ bietet auf mehreren Etage jede Menge Restaurants, die ausschließlich dieses Gericht servieren. Alles kleine bis kleinste Läden, im wesentlichen eine große Stahltheke, auf der das Essen gebraten wird, und dann ein paar Stühle.
Die Auswahl fiel mir schwer, und am Ende landete ich im Hirochan, eher zufällig, weil dort gerade ein Platz frei wurde. Ich denke aber man wird in keinem der Restaurants einen Reinfall erleben. Das Okonomi-yaki wird direkt am Platz auf der großen Stahlplatte zubereitet und dann mit kleinen Schabern zerteilt. Es war jedenfalls super gut und reichlich, ich schaffte es fast nicht komplett. Das sollte man auf jeden Fall in Hiroshima mitnehmen, wenn einen regionale Küche interessiert.
Auf Streifzug
Danach war ich in Stimmung für das Nachtleben. Eigentlich wollte ich ein bisschen schauen, was die LGBT-Community so drauf hatte. Das stellte sich aber schnell als uninteressant heraus. Die einzige Bar, die aktuell offen hatte, war das Step 1 International, und dort war absolut tote Hose. Die Warnung an der Eingangstür war jedenfalls unbegründet 😉
Ich latschte durch die Straßen und versuchte die anderen Orte auf der Liste zu finden und dabei den zig Host- und Hostessbars auszuweichen. Als Ausländerin ist man zum Glück sowieso nicht Teil der Zielgruppe und wird in Frieden gelassen. Ich schaute später noch im Step 1 vorbei, aber es war da fast noch verlassener.
Abhängen in der kleinsten Bar der Welt
Schließlich landete ich im Suizokan, eine winzige Bar hinter einer unscheinbaren Tür. Jaaaaa ich habe einfach eins der Topergebnisse aus Tripadvisor genommen 😉 Und das war RICHTIG nett. Zwei ältere, distinguierte Herren flankierten mich und dank Google Translate war es nicht nur „Lost in Translation“. Ich erfuhr einiges über Kyūshū, wo ich ja am nächsten Tag hin wollte (Sorry, leider habe ich es nicht nach Kure geschafft, um das Wrack der Yamato zu sehen, und das Sandbad gibt es leider nicht mehr. Gomenasai!).
Die Wirtin reichte mir ein Bilder/Zeigebuch, mit dem ich mich hätte verständigen können, und alle waren extrem freundlich. Die Atmosphäre war charmant und der Whiskey gut, wenn auch sehr teuer. Aber das war es mir wert. Wir unterhielten uns richtig gut, auch wenn es natürlich ein bisschen stockend war. Mein Japanisch war definitiv nicht einmal ansatzweise ausreichend, um irgendetwas zu verstehen. Aber jedes mal wenn ich etwas sagte waren alle begeistert.
Um Mitternacht machte die Bar leider schon zu, wie es in Japan ja üblich ist (ich aber da noch nicht wusste). Ich war aber auch ausreichend müde, und auch wenn der Abend ganz anders endete als geplant, war ich doch richtig zufrieden und entspannt. Ich schlenderte gemütlich zurück zum Ryokan, denn zu spät sollte es nicht werden – am nächsten Tag war wieder Aufbruch um halb sieben angesagt!